Das deutsche Steuerrecht kann kompliziert sein, besonders wenn es um die Lohnsteuer geht. Für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften gibt es verschiedene Möglichkeiten der Steuerklassenwahl, und die Steuerklasse 4 mit Faktor, oft einfach als "Faktorverfahren" bezeichnet, ist eine davon. Aber was genau verbirgt sich dahinter, und wann ist diese Option die richtige Wahl? Keine Sorge, wir bringen Licht ins Dunkel und erklären, wie das Faktorverfahren funktioniert, welche Vor- und Nachteile es hat und ob es für euch in Frage kommt.

Steuerklassen-Dschungel: Wo ordnen wir uns ein?

Bevor wir uns dem Faktorverfahren widmen, ist es wichtig, die Grundlagen des deutschen Lohnsteuersystems zu verstehen. In Deutschland gibt es sechs Steuerklassen, die jeweils unterschiedliche persönliche Verhältnisse berücksichtigen. Die Wahl der Steuerklasse beeinflusst direkt, wie viel Lohnsteuer monatlich von eurem Gehalt abgezogen wird. Die gängigsten Steuerklassen für Ehepaare sind:

  • Steuerklasse 3/5: Diese Kombination wird oft gewählt, wenn ein Partner deutlich mehr verdient als der andere. Der Besserverdienende wählt die Steuerklasse 3 (niedrigere Steuerabzüge), der Geringverdiener die Steuerklasse 5 (höhere Steuerabzüge).
  • Steuerklasse 4/4: Diese Kombination ist sinnvoll, wenn beide Partner ungefähr gleich viel verdienen. Beide Partner haben in diesem Fall die Steuerklasse 4.
  • Steuerklasse 4 mit Faktor: Und hier kommt unser heutiges Thema ins Spiel!

Steuerklasse 4 mit Faktor: Die gerechtere Variante?

Die Steuerklasse 4 mit Faktor ist eine Variante der Steuerklasse 4/4, die darauf abzielt, die Lohnsteuer gerechter aufzuteilen, besonders wenn die Einkommen der Ehepartner unterschiedlich sind, aber nicht so extrem wie bei der Wahl 3/5. Im Kern geht es darum, dass jeder Partner monatlich in etwa die Lohnsteuer zahlt, die er oder sie auch bei einer Einzelveranlagung zahlen würde. Dadurch soll vermieden werden, dass es bei der jährlichen Einkommensteuererklärung zu hohen Nachzahlungen kommt.

Wie funktioniert das Faktorverfahren konkret?

  1. Ermittlung der voraussichtlichen Einkommen: Zu Beginn des Jahres schätzen beide Partner ihre voraussichtlichen Bruttoarbeitslöhne.
  2. Berechnung der voraussichtlichen Jahreslohnsteuer: Das Finanzamt berechnet dann auf Basis dieser geschätzten Einkommen die voraussichtliche Jahreslohnsteuer für jeden Partner, so als ob sie einzeln veranlagt würden.
  3. Ermittlung des Faktors: Anschließend wird ein Faktor berechnet. Dieser Faktor ergibt sich aus dem Verhältnis der Summe der Lohnsteuer nach Steuerklasse 4 zu der Summe der Lohnsteuer, die sich bei Einzelveranlagung ergeben würde. Der Faktor ist in der Regel kleiner als 1.
  4. Anwendung des Faktors: Dieser Faktor wird dann jeden Monat auf die Lohnsteuer des jeweiligen Partners angewendet. Das bedeutet, dass die monatliche Lohnsteuerzahlung mit dem Faktor multipliziert wird.

Ein einfaches Beispiel:

Angenommen, Ehepartner A verdient 40.000 Euro im Jahr und Ehepartner B verdient 20.000 Euro im Jahr. Ohne Faktor würden beide Ehepartner nach Steuerklasse 4 besteuert. Mit dem Faktorverfahren wird der Faktor so berechnet, dass Ehepartner A etwas mehr Lohnsteuer und Ehepartner B etwas weniger Lohnsteuer monatlich zahlen. Das Ergebnis ist, dass die Summe der gezahlten Lohnsteuer über das Jahr hinweg der voraussichtlichen Jahreslohnsteuer bei Einzelveranlagung entspricht.

Warum sollte man sich für die Steuerklasse 4 mit Faktor entscheiden?

Das Faktorverfahren bietet einige Vorteile, die es für bestimmte Paare attraktiv machen:

  • Vermeidung hoher Nachzahlungen: Der größte Vorteil ist, dass es hilft, unerwartet hohe Nachzahlungen bei der Einkommensteuererklärung zu vermeiden. Durch die genauere Anpassung der monatlichen Lohnsteuer an die tatsächliche Steuerschuld wird das Risiko einer bösen Überraschung am Jahresende deutlich reduziert.
  • Gleichmäßigere Steuerbelastung: Die monatliche Steuerbelastung wird gerechter aufgeteilt, da sie sich stärker an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen orientiert.
  • Bessere Planungssicherheit: Durch die geringere Wahrscheinlichkeit von Nachzahlungen können Paare ihre Finanzen besser planen.

Wo Licht ist, ist auch Schatten: Die Nachteile des Faktorverfahrens

Obwohl das Faktorverfahren viele Vorteile bietet, gibt es auch einige Nachteile, die berücksichtigt werden sollten:

  • Schätzung der Einkommen: Die Berechnung des Faktors basiert auf der Schätzung der voraussichtlichen Einkommen. Wenn diese Schätzungen ungenau sind, kann es trotzdem zu Nachzahlungen oder Erstattungen kommen. Daher ist es wichtig, die Einkommen so genau wie möglich zu schätzen.
  • Erhöhter Aufwand: Die Beantragung des Faktorverfahrens erfordert etwas mehr Aufwand, da die voraussichtlichen Einkommen beim Finanzamt angegeben werden müssen.
  • Weniger Flexibilität: Im Vergleich zur Steuerklassenkombination 3/5 bietet das Faktorverfahren weniger Flexibilität, um kurzfristige Einkommensänderungen zu berücksichtigen.

Für wen ist die Steuerklasse 4 mit Faktor geeignet?

Die Steuerklasse 4 mit Faktor ist besonders geeignet für:

  • Ehepaare mit unterschiedlich hohen Einkommen, die aber nicht so stark variieren, dass die Steuerklasse 3/5 sinnvoller wäre.
  • Ehepaare, die Wert auf eine gerechtere Verteilung der monatlichen Steuerlast legen.
  • Ehepaare, die hohe Nachzahlungen bei der Einkommensteuererklärung vermeiden möchten.

Kurz gesagt: Wenn ihr beide arbeitet und eure Einkommen sich unterscheiden, aber nicht extrem auseinanderliegen, und ihr keine Lust auf Überraschungen bei der Steuererklärung habt, dann ist das Faktorverfahren eine gute Option.

Der Weg zum Faktor: So beantragt ihr die Steuerklasse 4 mit Faktor

Die Beantragung der Steuerklasse 4 mit Faktor ist relativ einfach. Ihr müsst beim zuständigen Finanzamt einen Antrag stellen. Diesen Antrag könnt ihr in der Regel online über das ELSTER-Portal (ElsterOnline) stellen. Im Antrag müsst ihr eure voraussichtlichen Bruttoarbeitslöhne für das laufende Kalenderjahr angeben. Das Finanzamt berechnet dann den Faktor und teilt ihn euch mit. Eure Arbeitgeber werden dann automatisch über die neue Steuerklasse und den Faktor informiert.

Wichtig: Der Antrag muss jedes Jahr neu gestellt werden, wenn ihr das Faktorverfahren weiterhin nutzen möchtet.

Steuerklassenwechsel: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Ein Steuerklassenwechsel ist grundsätzlich jederzeit möglich. Allerdings sollte der Wechsel idealerweise vor dem ersten Arbeitstag des Monats erfolgen, damit er für den gesamten Monat berücksichtigt werden kann. Wenn ihr also ab dem 1. Mai die Steuerklasse 4 mit Faktor nutzen möchtet, solltet ihr den Antrag bis spätestens Ende April beim Finanzamt stellen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was passiert, wenn meine Einkommensschätzung falsch war?

Wenn eure Einkommensschätzung von den tatsächlichen Einkommen abweicht, kann es bei der Einkommensteuererklärung zu Nachzahlungen oder Erstattungen kommen. Es ist daher wichtig, die Einkommen so genau wie möglich zu schätzen.

Muss ich das Faktorverfahren jedes Jahr neu beantragen?

Ja, das Faktorverfahren muss jedes Jahr neu beantragt werden, wenn ihr es weiterhin nutzen möchtet.

Kann ich die Steuerklasse 4 mit Faktor auch nutzen, wenn ich selbstständig bin?

Nein, die Steuerklasse 4 mit Faktor ist nur für Arbeitnehmer möglich. Selbstständige müssen ihre Einkommensteuer über die jährliche Einkommensteuererklärung abführen.

Was passiert, wenn sich meine Einkommensverhältnisse im Laufe des Jahres ändern?

Wenn sich eure Einkommensverhältnisse im Laufe des Jahres erheblich ändern, solltet ihr das Finanzamt informieren und gegebenenfalls einen neuen Antrag auf das Faktorverfahren stellen.

Wo finde ich das Antragsformular für die Steuerklasse 4 mit Faktor?

Das Antragsformular findet ihr in der Regel online auf der Website eures Finanzamtes oder im ELSTER-Portal.

Fazit: Faktorverfahren – Ein guter Kompromiss?

Die Steuerklasse 4 mit Faktor kann für viele Ehepaare eine gute Lösung sein, um die Lohnsteuer gerechter zu verteilen und hohe Nachzahlungen zu vermeiden. Es erfordert zwar etwas mehr Aufwand bei der Beantragung, aber die Vorteile in Bezug auf Planungssicherheit und Vermeidung von Überraschungen können diesen Aufwand rechtfertigen. Prüft eure individuelle Situation und entscheidet, ob das Faktorverfahren für euch die richtige Wahl ist – im Zweifelsfall hilft euch ein Steuerberater gerne weiter!